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Die isländische Teiknibók

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Samson und der Löwe in der Isländischen Teiknibók AM 673a III 4to.

Was ist die Teiknibók?
Die mittelalterliche isländische Handschrift Teiknibókin AM 673a III 4to ist, wie schon der Name verrät (isl. Teiknibók = dt. Zeichenbuch), ein Album. Sie enthält eine Sammlung von Bildvorlagen, die Künstler im Mittelalter benutzten, wenn sie z.B. Handschriften illuminierten oder Altarbilder malten. Das Buch besteht aus einundzwanzig Pergamentblättern mit beidseitig in Tinte gezeichneten Bildern, zusammen zweiundvierzig Seiten. Es ist in sehr schlechtem Zustand, das Pergament ist vermodert und fast überall löchrig, weshalb es zum Teil schwierig ist, alle Linien und Striche in den einzelnen Bildern und Buchstaben zu erkennen.

Die Teiknibók ist durchaus einzigartig und trotz der vielen Schäden sehr wertvoll. Das Buch ist das einzige seiner Art, das im Norden erhalten geblieben ist und nur wenige ihm ähnliche Bücher sind im restlichen Europa erhalten. Als das Buch seinerzeit von Kopenhagen nach Island transportiert wurde, bezahlte man für es einen speziellen Sitz im Flugzeug, damit es vor der kleinsten Beschädigung bewahrt würde.

 

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Der Heilige Georg erschlägt einen Drachen (Teiknibók AM 673a III 4to).


Die Verwendung von Bildvorlagen im Mittelalter
Die Teiknibók ist sicherlich im Besitz eines Klosters gewesen, wo es für Illuminationen von Handschriften gebraucht wurde. In diesem Buch fanden Künstler Bildvorlagen von Verzierungen vor, die sie dann anschließend in einem neuen Buch verwenden konnten.

Die Haltung der Leute zu künstlerischem Schaffen im Mittelalter war eine andere als heute. Der Begriff des Autors war damals ein anderer als heute, da alles auf Erden als Teil von Gottes Schöpfung galt, weswegen man nichts zu ändern brauchte. So wie Historiker sich verfügbarer Quellen bedienten und sie oft direkt zitierten, ohne dies in besonderem Maße zu erwähnen, beschäftigten sich Künstler viel mit dem Kopieren von Bildinhalten, die bereits existierten. Hierbei erwies sich ein Buch wie die Teiknibók mit ihrer Sammlung von Bildvorlagen als nützlich.

 



 

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Ritter auf dem Fragment einer Seite in der Teiknibók AM 673a III 4to

 

Wer zeichnete die Bilder?
Man nimmt an, dass drei bis vier Künstler die Bilder in diesem Buch innerhalb eines Zeitraums von hundertfünfzig Jahren, von 1350-1500, gesammelt haben. Zweien dieser Zeichner gebührt die Ehre, für den Großteil der Bilder dieses Buches verantwortlich zu sein. Der erste Zeichner ist vermutlich von 1340-60 aktiv gewesen und ihm werden Bilder auf 16 Seiten dieses Manuskripts zugeschrieben. Der zweite Hauptzeichner hat wahrscheinlich von 1450-75 gewirkt und wird als Urheber von Bildern auf 22 Seiten vermutet. Wahrscheinlich wurden die Bildvorlagen der Teiknibók sowohl für die Illustration von Manuskripten als auch für andere Kunstwerke genutzt, d.h. für die Herstellung von Altarbildern und anderen Malereien, und sogar für Schnitzereien oder Silberschmiedekunst.

Nur zwei Illuminationen in überlieferten Manuskripten können den Werken des ersten Zeichners der Teiknibók zugerechnet werden, im Übrigen wurden nur wenige Bilder in erhaltenen Handschriften gefunden, die in direkter Verbindung zur Teiknibók stehen. Es ist jedoch eine große Anzahl an Manuskripten verloren gegangen, und mit ihnen die Bilder, die in ihnen enthalten waren.

Man hält es für möglich, dass das Buch im Mittelalter zum Eigentum des Klosters Þingeyrar zählte, jedoch sicherlich weiterhin in Gebrauch war, bis es um 1700 in die Hände des Handschriftensammlers Árni Magnússon gelangte.

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Maria mit dem Kind an der Brust in der Teiknibók AM 673a III 4to.

Aufgeschlagene Seite mit verschiedenen Zeichnungen (AM 673a III 4to.)

 

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Löcher, die in das Pergament um das Bild herum gestochen wurden, das so als Vorlage für neue Bilder dienen konnte. Vorlage für eine  Bildinitiale (Teiknibók AM 673a III 4to).

Verbindungen zwischen Bildern
Historikern kam es oft so vor, dass es Ähnlichkeiten zwischen Zeichnungen in der Teiknibók und Bildern in bestimmten Manuskripten gibt. Darunter befanden sich ein Bild von der Kreuzigung im Calendarium AM 249e fol., ein Bild von Joshua in der Stjórn AM 227 fol. (71v) und in einem Fragment aus einem Psalter, der jetzt in Schweden aufbewahrt wird, sowie Bilder auf einem einzelnen Blatt aus dem Psalmenbuch von Höskuldsstaðir in Skagaströnd, Nordisland. Die Vergleiche eines Kunsthistorikers führten ans Licht, dass die Bilder im Nachruf und im Psalmenbuch den Bildern in der Teiknibók sehr ähneln, die dem ersten Zeichner angerechnet werden, der vermutlich in der Mitte des 14. Jahrhunderts gewirkt hat.

Die stilistischen Merkmale der Stjórn und des Psalterblattes, die wahrscheinlich vom selben Illustrator illuminiert worden sind, unterscheiden sich andererseits von denen, die dem ersten Zeichner zugeschrieben werden. Daher geht man nicht davon aus, dass bei beiden Fällen vom selben Illustrator die Rede ist, wenngleich die Illustrationen dieser vier Manuskripte am selben Ort entstanden sein können.

Dieser Ort ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Zentrum der Buchproduktion gewesen und man kann davon ausgehen, dass die Blätter aus dem ältesten Teil der Teiknibók Überreste einer Sammlung von Bildvorlagen sind, die an diesem Ort für die Illumination von Manuskripten genutzt wurden. Folglich wird angenommen, dass eine Gruppe von Schreibern und Illuminatoren in derselben Buchwerkstatt gearbeitet hat, in der sowohl Bücher mit weltlichen als auch geistlichen Inhalten hergestellt wurden. Deshalb hält man es für unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um einen großen Gutshof gehandelt hat. Glaubhafter erscheint, dass man solche Bedingungen in einem Kloster vorfinden konnte, am wahrscheinlichsten wohl im Þingeyrar-Kloster.

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Möglicherweise eine Vorlage für einen silbernen Reliquienschrein (Teiknibók AM 673a III 4to).

Es ist möglich, dass 3-5 Personen an der Herstellung der Stjórn AM 227 fol. gearbeitet haben, sowohl im Bezug auf das Schreiben als auch auf das Illuminieren. Zwei persönliche Handschriften lassen sich bei der Stjórn AM 227 fol. unterscheiden und die roten Überschriften sind von den Schreibern selbst geschrieben worden. Alle acht Bildinitialen sind das Werk eines Künstlers, der außerdem auch einige der gewöhnlichen Initialen ausgearbeitet hat, woran allerdings noch zwei weitere Illuminatoren beteiligt waren. Insgesamt haben also drei Illustratoren bei der Herstellung des Buches mitgewirkt und zwei von ihnen sind möglicherweise gleichzeitig dessen Schreiber gewesen, auch wenn es dafür keine eindeutigen Beweise gibt.

Eine der Haupthände der Stjórn ist in 12 weiteren Manuskripten entdeckt worden, was darauf hinweist, dass der Schreiber mit dem Anfertigen von Manuskripten ziemlich beschäftigt war. Der Zufall will es, dass eines dieser Manuskripte das illustrierte Psalterfragment ist, was den Zusammenhang zwischen diesen Handschriften noch mehr unterstreicht. Der paläographische Befund unterstützt deshalb ebenfalls den Zusammenhang zwischen dem Psalterblatt und der Stjórn.


zur Teiknibók und dem Physiologus
zu anderen Alben aus dem Mittelalter
zur Anwendung von Bildvorlagen