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Humanismus im 17. Jahrhundert

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Bedeutende Texte des Mittelalters wie etwa die Íslendingabók und die Hungurvaka sind ausschließlich in Papierabschriften aus dem 17. Jahrhundert erhalten.

Überlieferungvon Handschriften nach 1550
Wenn man die Bewahrung von Handschriften zugrunde legt, wurden nur wenige Mittelaltertexte nach der Reformation weiter abgeschrieben. Es gibt nur wenige Handschriften aus jener Zeit und die Stoffe sind weniger abwechslungsreich als zuvor. Erhaltene Sagahandschriften, z. B. von Isländersagas, sind im Zeitraum von etwa 1550 bis 1625/50 deutlich seltener als zuvor und danach. Hauptsächlich finden sich Abschriften von Rímur, die gegen Ende des Mittelalters ein beliebter Zeitvertreib waren, sowie Gesetzeshandschriften, und dass, obwohl der Bischof Guðbrandur 1578 die Jónsbók, das Gesetzesbuch des Landes, hatte drucken lassen. Heiligengeschichten und theologische Texte des Katholizismus waren veraltet. An deren Stelle trat ein neuer Stoff, der das Land erreichte. Dänische und deutsche Texte, oft zur Theologie des lutherischen Christentums, wurden übersetzt und abgeschrieben.

Desinteresse an oder Zerstörung von Papierhandschriften?
Da eine beträchtliche Menge an Pergamenthandschriften aus der Zeit vom 14. Jahrhundert bis zur Reformation erhalten ist, wirft die Handschriftenarmut des Zeitraums 1550-1650 Fragen auf. Auch wenn die Bewahrung und die Zerstörung von Handschriften im Laufe der Jahrhunderte oft von Zufällen abhängen, können sie dennoch bestimmte Ursachen haben. In diesem Zeitraum tritt Papier allmählich an die Stelle von Pergament. Allerdings war das Papier nicht so robust, so dass zu befürchten ist, dass viele der ältesten Handschriften zerstört wurden. Die Menschen haben daher möglicherweise Sagas aufgeschrieben und gelesen, auch wenn deren Papierhandschriften aus der jeweiligen Zeit nicht erhalten geblieben sind. Denkbar ist auch, dass sich der Geschmack der Menschen änderte und das Interesse an alten Geschichten schwand. Nach der Konversion sahen die Männer der Kirche wie etwa der Bischof Guðbrandur einiges aus der katholischen Zeit sehr kritisch, nicht nur die Geschichten über Heilige, sondern auch Gestalten aus Geschichten der heidnischen Zeit, d.h. aus Texten, die in der Zeit vor der Annahme des Christentums spielen.

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Brynjolfur Sveinsson (1605-75) Bischof von Skálholt 1639-74. Bild von Wikipedia.

Eher Quellen denn Unterhaltung
Bischof Guðbrandur, Arngrímur der Gelehrte sowie deren Zeitgenossen und Nachfolger betrachteten die Sagas als historische Quellen, weniger als gelungene Unterhaltung. Dieser Glaube an den Quellenwert der alten Sagas bestimmte lange das Verständnis der nordischen Wissenschaftler und der Allgemeinheit von diesen Geschichten. Mittlerweile haben sich die Vorstellungen von der Entstehung und damit dem Quellenwert der Sagas gewandelt. Man diskutiert nun die Bedeutung mündlicher Überlieferung bei der Verschriftlichtung von Geschichten, die von der herrschenden Klasse zu deren Zwecken niedergeschrieben wurden. Nichtsdestotrotz gehen die Meinungen über den Wahrheitsgehalt der Geschichten weiterhin auseinander.

Die Bischöfe des Landes bildeten weiterhin die Speerspitze der Altertumsforscher. Þorlák Skúlason in Hólar (geb. 1597, Bischof von 1628 bis 1656), Enkel und Erbe Guðbrandurs, und Brynjólf Sveinsson in Skálholt (geb. 1605, Bischof von 1639 bis 1674), gehörten zu den gelehrtesten Männern ihrer Zeit. Beide hatten in Kopenhagen studiert und waren mit den Ideen des Humanismus vertraut. Sie beschäftigten Schreiber, die ganze Texte kopieren sollten, vor allem jene, denen ein Wert als historische Quelle zugesprochen wurde. Damit setzten sie eine enorme Welle von Abschriften in Gang, im Zuge derer eine Vielzahl von Priestern und schreibenden Laien im ganzen Land alte Texte niederschrieben, manchmal mit Kommentaren versahen, und diese Texte so zu Ruhm und Ehre brachten. Vermutlich haben damals, ab Anfang des 17. Jahrhunderts, mehr Leute die Sagas kennengelernt und genossen als kurz nach der Reformation.

Wissen über die Schreiber
Quellen zur Entstehung von Papierhandschriften im 17. Jahrhundert sind, verglichen mit solchen aus den Jahrhunderten zuvor, sehr zahlreich. Oft sind die Schreiber bekannt, ebenso, wann und wo die Handschriften verfasst wurden und sogar ein wenig über die gesellschaftliche Stellung und den Hintergrund der Auftraggeber weiß man. Island war immer noch eine weit verstreute Bauerngesellschaft, ohne Städte oder Ortschaften, das kulturelle Leben war eng mit der Kirche verbunden. Die Schreiber, oder jene, die Bücher schreiben ließen, waren oft ausgebildete Priester oder Kinder von Priestern, es gilt aber als sicher, dass es in allen Gesellschaftsschichten Schreibende gegeben hat. Einige hatten sich das Schreiben zum Beruf gemacht, zum Teil oder zur Gänze, beispielsweise die Schreiber der Bischöfe Þorlákur und Brynjólfur.

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AM 442 4to und AM 448 4to, zwei Papierabschriften des Pergamentkodex Vatnshyrna, der 1728 in Kopenhagen verbrannte.

Der Wert von Papierabschriften
Papierabschriften mittelalterlicher Werke wurde lange ein nur geringer Wert für Forschungen an Texten, die auch in Pergamenthandschriften erhalten waren, zugesprochen. Wenn Pergamenthandschriften ältere Texte überliefern, gelten sie im Allgemeinen als die zuverlässigeren Zeugen ältester Versionen einer Saga oder eines Werkes und haben daher einen größeren textwissenschaftlichen Wert. In gewissen Fällen aber ist es Papierhandschriften des 17. Jahrhunderts zu verdanken, dass wir die Texte von Werken oder Handschriften, die verloren gingen, nachdem sie niedergeschrieben worden waren, kennen. Tatsächlich beruhen eine Unmenge Abschriften des 17. Jahrhunderts auf Pergamentvorlagen, die später zerstört wurden, zum großen Teil oder vollkommen. Die Íslendingabók Aris des Gelehrten und die Hungurvaka sind Beispiele für mittelalterliche Texte, die ausschließlich auf Papier erhalten geblieben sind. Selbiges gilt für die Texte der Vatnshyrna, einer großen Sammelhandschrift von Isländersagas, die 1728 in Kopenhagen von den Flammen zerstört wurde. Das Buch war nach Stóra-Vatnshorn im Haukadalur benannt worden. Man vermutet, es sei für Jón Hákonarson in Víðdalstunga, der auch eine Sammelschrift von Köningssagas, die Flateyjarbók GKS 1005 fol., anfertigen ließ, geschrieben worden. Die Papierabschriften der Vatnshyrna sind der Ausgabe von mindestens fünf Isländersagas als Haupttexte zugrunde gelegt worden.

Vielfalt und Rezeptionsforschung
Papierabschriften wurde in letzter Zeit eine größere Bedeutung für Textforschungen zugesprochen, nicht zuletzt als Quellen für die Rezeption von Texten oder Geschichten, nicht nur im Mittelalter, sondern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Einige Isländersagas, darunter die Njáls saga, die Egils saga und die Laxdæla saga, sind in ca. 50 Handschriften aus unterschiedlichen Zeiten und Landesteilen, in Versionen von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und gesellschaftlichen Positionen erhalten.

Abschreiben oder Drucken alter Texte
Ziel der Abschriften war esimmer, sowohl vor als auch nach der Erfindung des Buchdrucks, weitere und oft leichter zugängliche Exemplare eines Textes herzustellen, oder Handschriften, die man sich ausleihen durfte, aber weder geschenkt bekam noch kaufen konnte, abzuschreiben. Mit dem Aufkommen des Papiers gingen Pergamenthandschriften tatsächlich vermehrt verloren. Vielen schien es nichts Besonderes zu sein, Pergamenthandschriften wegzuwerfen oder sie wiederzuverwenden, wenn ihre Texte abgeschrieben worden waren. Insofern trug das Aufkommen des Papiers zur Bewahrung der Stoffe bei, beförderte gleichzeitig aber auch die Entsorgung alter Bücher.

Bischof Brynjólfur schien es nicht genug, Pergamentbücher abzuschreiben. Er wollte darüber hinaus den Druck mittelalterlicher Texte in die Wege leiten, ganz so, wie es damals auch in Europa üblich war. Die einzige Druckerpresse des Landes war im Besitz des Bischofs von Hólar, Þorlákur, der seinerzeit 30 Schriften druckte, allerdings ausschließlich christliche Texte. Trotz seines Interesses an Alterumskunde verhinderte er, dass Brynjólfur eine weitere Druckerpresse nach Island holte und seine Druckvorhaben in die Tat umsetzen konnte.

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Gutenbergs Drucktechnik revolutionierte den Buchdruck und damit die Verbreitung von Ideen und Wissen in Europa. Die einzige Druckerpresse Islands kam 1530 ins Land und unterstand den Männern der Kirche. Bild von Wikpedia.

Die ersten Druckausgaben und Übersetzungen mittelalterlicher isländischer Schriften
Die Schweden und dann die Dänen waren die ersten, die Texte mittelalterlicher isländischer Werke druckten. Sie waren im 17. Jahrhundertsehrbemüht, ihren Handschriftenbesitz zu erweitern und veröffentlichten umtriebig Quellen zur eigenen Geschichte. Die erste gedruckte Ausgabe erschien 1664 in Uppsala, die Hrólfs saga Gautrekssonar, eine Vorzeitsaga, die Jón Rúgmann im Gepäck hatte, als die Schweden 1658 das Schiff, auf dem er sich befand, kaperten. Jón arbeitete dann mit Olof Verelius gemeinsam an der Edition alter Texte mit historischen Stoffen über Schweden, sowohl in der Originalsprache als auch in schwedischer Übersetzeung. In den folgenden Jahren gaben sie Auszüge aus der Ólafs saga Tryggvasonar (1665), der Herrauðs og Bósa saga (1666) und der Hervarar saga (1672) heraus.

Die ersten lateinischen Übersetzungen mittelalterlicher isländischer Werke erschienen 1665 in Kopenhagen. Damals gab Peder Resen (1625-88), Juraprofessor und Bürgermeister, drei Werke heraus, die Snorra-Edda, Hávamál und Völuspá, auf Latein und Dänisch. Die Ausgabe beruhte auf der Arbeit isländischer Wissenschaftler und Studenten der Stadt. Ein Jahr später gab Jan Dolmer die Hirðskrá heraus, norwegische Gefolgschaftsgesetze aus der Zeit um 1270, zusammen mit einer dänischen Übersetzung. Danach übersetzte er die Hirðskrá ins Lateinische, um sie Wissenschaftlern zugänglich zu machen. 1673 gab Resen sie in allen drei Sprachen heraus.

Der Druck mittelalterlicher Literatur auf Island
Der Druck alter Schriften kam auf Island in Gange, als Þórður, der Bischof von Skálholt (geb. 1637, Bischof von 1674 bis 1697), nach dem Tod seines Bruders, Bischof Gisli von Hólar (geb. 1631, Bischof von 1657 bis 1684), die Druckerpresse erbte. Beide waren Söhne von Þorlákur Skúlason, dem früheren Bischof von Hólar. Dieser hatte die Druckerpresse zuvor besessen. Þórður brachte sie 1685 von Hólar nach Skálholt. Im Jahre 1688 erschienen vier Werke, die Íslendingabók Aris des Gelehrten, die Landnámabók, die Kristni saga und Grönlandia von Arngrímur dem Gelehrten. In den zwei folgenden Jahren veröffentlichte er die Ólafs saga Tryggvasonar in zwei Bänden bei der Druckerei von Skálholt.

Nach dem Todvon Bischof Þórður im Jahre 1697 fiel die Druckerpresse in den Besitz seines 16-jährigen Sohnes Brynjólfur. Aus dessen Plänen einen Buchverlag zu gründen wurde jedoch nichts, so dass er die Druckerpresse im Jahre 1703 dem Bischof von Hólar, Björn Þorleifsson, der damals zurück in den Norden gezogen war, verkaufte.

Das 18. Jahrhundert war für Island eine unglückliche Zeit. Pest, Naturkatastrophen und Viehseuchen plagten die Menschen. Bücher wurden daher nur in geringem Umfang gedruckt und verkauft. Im Jahre 1756 befand sich die Druckerpresse im Besitz Björn Markússons, des Gemeinderichters im Skagafjörður und zweiten Gesetzessprechers, der die Bücher Nokkra margfróða söguþætti (Einige lehrreiche Erzählungen), sowie Ágætar fornmannasögur (Herausragende Geschichten über Männer der Vorzeit) in beträchtlicher Auflage von jeweils 1000 Exemplaren drucken ließ. Die Bücher enthielten viele kürzere Isländersagas und zwei þættir. Anekdotenhafte Kurzerzählungen verkauften sich aber schlecht, zweifellos aufgrund der harten Zeiten im Lande. Björn ließ auch als erster zwei übersetzte auf höfischen Stoffen oder Motiven basierende isländsiche Romane drucken.

Die Handschriftenkultur der Isländer in späteren Jahrhunderten
Mit dem Aufkommen des Papiers wurde auch weniger Begüterten Schreibmaterial zugänglich. Im Zuge der Ausweitung der Allgemeinbildung lernten immer mehr Menschen Lesen und Schreiben. Da religiöse Schriften bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts nahezu die einzigen Drucksachen darstellten, lebte die Handschriftenkultur fort. Die meisten Bücher weltlichen Inhalts waren handschriftlich. Gelegentlich wurden gedruckte Bücher noch abgeschrieben. Zudem kamen ausländische gedruckte Bücher verschiedenster Art ins Land, wurden übersetzt und dann abgeschrieben. Die Menschen schrieben die Bücher entweder selbst oder beauftragten begabtere Schreiber. Diese große Menge handschriftlich kopierter Texte ist ein Kennzeichen der isländischen Schriftkultur der späteren Jahrhunderte. Die Handschriftenabteilung der isländischen National- und Universitätsbibliothek birgt einen umfangreichen Fundus solcher Handschriften.

über verschiedene Handschriftenschulen der Bischöfe des Humanismus
zum Beginn des Buchdrucks auf Island