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Mehrdeutigkeit der Runen
Als der erste Grammatiker den Isländern in der Mitte des 12. Jahrhunderts eine Orthographie vorgeschlagen hat, entwickelte er acht neue Buchstaben für diejenigen Laute der Sprache, für die es in der lateinischen Schrift keine Entsprechung gab. Die Begründung für Sonderbuchstaben schließt er aus dem Problem der Runendeutung, welche wegen der Mehrdeutigkeit der einzelnen Runen schwierig oder ungenau wurde. Seine Worte lassen erkennen, dass die Runenschrift in der Mitte des 12. Jahrhunderts bekannt war, aber nicht immer als eindeutig galt, da jede Rune mehrere Laute bezeichnen konnte. Mit diesem Problem haben die Leser der Runen und die Runenforscher sicherlich lange gerungen. Der erste Grammatiker drückt besonders aus, wie ärgerlich die Mehrdeutigkeit sei, wenn ein klares Verständnis oder der eindeutige Wortlaut des Textes ausschlaggebend sind, z.B. bei gesetzlichen Bestimmungen.
Runensteine und Bildsteine
Runeninschriften waren in wenigen Worten gehalten und wurden oft gebraucht, um etwas besonders zu markieren oder als kurze Nachricht verwendet, vom Warenverzeichnis bis hin zum Liebesgeständnis oder zur Grabinschrift. Lange Texte in der Art von Gesetzen oder Sagas sind kaum in Runen geschrieben worden. Das wäre sowohl sehr zeitaufwendig als auch dem Stoff unangemessen gewesen. Es wäre überflüssig und überdies kaum praktikabel gewesen, eine Saga auf 15 Steinen zu bewahren oder eine langes Gedicht auf Runenstäben, solange eine lebendige mündliche Erzählung oder Vortrag zur Verfügung standen. Andererseits wurden einige Bildsteine mit Ornamenten gefunden, wenn auch nicht auf Island, welche Erzählstoffe aus der mündlichen Überlieferung wiedergeben und früher in gleicher Weise gedient haben könnten wie die Kirchenkunst, nämlich dazu, die Leute an den Inhalt der Göttersagen bzw. Bibel zu erinnern.
Im Jahre 1918 wurde ein bemerkenswerter Bildstein in Uppland in Schweden gefunden, der vermutlich die Ausfahrt zum Fischfang von Thor und dem Riesen Hymir zeigt, wovon u.a. die Snorra Edda erzählt. Zwar sieht es auf dem Bild so aus, als wäre Thor alleine unterwegs, doch kann die Darstellung aus dem 11. Jahrhundert als Zeugnis gewertet werden, dass der Stoff der Göttersage, den Snorri Sturluson um 1220 in seiner Edda verarbeitete, schon damals und bis über die Christianisierung hinaus in der mündlichen Tradition des Altnordischen lebendig war. Bilder, die mit derselben Göttersage verbunden sind, wurden auch auf Steinen auf Gotland sowie in Jütland und England gefunden.
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Samnordisk runtextdatabas: Norrænar rúnir í gagnagrunni við Uppsala-háskóla.
Danske Runeindskrifter: Samvinnuverkefni Nordisk Forskningsinstitut, Københavns Universitet og Nationalmuseet i København. Þar er öllum þekktum dönskum rúnaáletrunum, frá járnöld til miðalda, safnað saman en þær eru alls um 900 talsins.
Runen und Runengedichte
Runengedichte
Drei Runengedichte mit den Namen der Runenzeichen sind aus dem Mittelalter überliefert. Das älteste Gedicht ist angelsächsisch und behandelt die 26 Runen der älteren Runenreihe. Gemeinhin wird es auf das 10. Jahrhundert geschätzt, doch es könnte auch älter sein (verfasst im 8. oder 9. Jahrhundert), allerdings war es in einer Handschrift des 10. Jahrhunderts überliefert, die 1731 verbrannte. Zum Glück war das Gedicht schon zuvor im Werk Linguarum Veterum Septentrionalium Thesaurus von George Hickes aus dem Jahr 1705 im Druck herausgegebenworden.Die norwegischen und isländischen Runengedichte behandeln die 16 Runen des jüngeren Runenalphabets. Das norwegische Gedicht, das aus dem 12. Jahrhundert sein könnte, wurde im eddischen Versmaß fornyrðislag verfasstund von einer Handschrift abgeschrieben, die 1728 in der Universitätsbibliothek in Kopenhagen verbrannte. Der dänische Altertumswissenschaftler Ole Worm (lat. OlausWormius) hatte es aber zuvor in seiner Danica Literatura Antiquissima aus dem Jahr 1636 abgedruckt.
Das norwegische Runengedicht
Übersetzung: Alessia Bauer, in: Runengedichte, Texte, Untersuchungen und Kommentare zur gesamten Überlieferung. Wien 2003.
(Reichtum) bewirkt den Streit der Verwandten,
der Wolf ernährt sich im Wald(Schlacke/Schmiedeabfall) kommt von schlechtem Eisen,
oft läuft das Rentier auf Harschschnee(Riese) verursacht der Frauen Qual,
fröhlich werden wenige vom Übel(Flußmündung) ist der Weg der meisten Fahrten,
die Scheide ist [derjenige] der Schwerter(Reiten) ist das Schlimmste für die Pferde,
Regin [schmiedete] das beste Schwert(Geschwür) ist eine Plage für die Kinder,
Unglück macht den Leichnam aschfahl(Hagel) ist das kälteste aller Körner
Christus erschuf die alte Welt(Not) verursacht bedrängten Zustand,
ein Nackter friert im Frost(Eis) nennen dir die breite [Brücke],
ein Blinder bedarf der Führung(gutes Jahr) ist ein Segen für die Menschen,
ich glaube, Frodi war freigebig(Sonne) ist das Licht der Länder
ich unterwerfe mich dem heiligen Urteil(Týr) ist der einhändige Ase,
oft muß ein Schmied blasen(Birkenzweig) ist des Staubes Zuwachs,
groß ist die Klaue des Habichts(Wasserfall) ist das [Wasser], das vom Berg niederstürzt,
aber Kleinode sind Gold(Eibe) ist der grünste Baum des Winters,
gewöhnlich sengt es, wo es brenntDas isländische Runengedicht
Übersetzung: Alessia Bauer, in: Runengedichte, Texte, Untersuchungen und Kommentare zur gesamten Überlieferung. Wien 2003.Das isländische Runengedicht ist das jüngste der Runengedichte und wahrscheinlich in Anlehnung an die älteren geschrieben worden. Es ist in drei Handschriften überliefert, die sich alle in der Handschriftensammlung des Arnamagnäanischen Instituts befinden, die jüngste in Kopenhagen, die anderen beiden in Reykjavík. In der ältesten Handschrift, AM 687 d 4to von ca. 1500, sind die Runen selbst am Anfang jeder Strophe abgebildet, aber nicht ihre Namen. In AM 461 12mo, etwa aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, sind hingegen die Namen der Runen aufgeschrieben, aber nicht diese selbst. Die jüngste Handschrift ist AM 413 fol., die Kopie einer Handschrift aus dem 16. Jahrhundert, die sich in der „Runologie” von Jón Ólafsson aus Grunnavík (1732-52) befand.
Das isländische Runengedicht ist im eddischen Versmaß für Wissensdichtung, ljóðaháttr, verfasst und wird oft Þrídeilur (inetwa„DreifacheAbhandlung”) genannt, weil es zum Namen oder der Bedeutung jeder Rune jeweils drei Verse nennt. Lateinische Wörter, die sich meistens auf die Namen der Runen beziehen, sind als Marginalien hinzugefügt, ebenso heiti (eine Art Metapher) für Anführer und Könige, die jeweils mit dem gleichen Buchtaben beginnen wie der Name der Rune.
(Reichtum) ist der Streit der Verwandten, Feuer der Flut,
Weg der Schlange Gold(Sprühregen) ist Weinen der Wolken, Verderben der Heuernte,
Haß des Hirten Unwetter(þurs/Riese) ist Qual der Frauen, Bewohner der Klippen,
Gatte [der Riesin] Saturn(Ase) ist der alte Gautr, Asgards Herrscher,
Walhalls Fürst Jupiter(Reiten) ist angenehmes Sitzen, schnelle Fahrt,
Anstrengung des Pferdes Weg(Geschwür) ist Krankheit der Kinder, eine Plage,
Haus der Verwesung Plage?(Hagel) ist kaltes Korn, Schneegestöber,
Vernichtung der Schlangen Hagel(Not) ist Schwermut des Mädchens, [harter] Zustand,
anstrengende Arbeit Mühe(Eis) ist Flußrinde, Dach der Wogen,
Gefahr für die Todgeweihten Eis
(Gutes Jahr) ist Glück der Menschen, guter Sommer,
das Blut der Täler (à Tau) Jahr(Sonne) ist Schild der Wolken, scheinender Himmelskörper,
Zerstörer der Eismassen Rad(Nässe) ist hervorquellendes Wasser, weiter Kessel,
Land der Fische See(Birkenreis) ist …………………., kleiner Zweig,
prächtiges(?) Holz Tanne(Mensch) ist Freude des Mannes, Vermehrung der Erde,
Schmücker der Schiffe Mensch(Týr) ist der einhändige Ase, Überbleibsel des Wolfes,
(Bogen) ist gespannter Bogen, [unreines] Eisen Bogen
der Fürst der Tempel Mars